Auf meinem Weg zum Gut Pinnow tröpfelte Regen auf die Windschutzscheibe. Nicht viel, aber doch so, dass ich dachte, keine Trauung im Freien durchführen zu können. Ein Jammer, denn Jule und Tobi bereiteten sich komplett auf draußen vor. Sie feierten schon seit Freitag, kümmerten sich selbst um Alles, kein Weddingplanner wirbelte im Hintergrund.
Als ich wie immer eine Stunde vor Beginn die Location erreichte, stutzte ich. Der ganze Garten war geschmückt, im hinteren Teil entdeckte ich einen Traubogen, eine Zweierkinobank für das Brautpaar und die mit Hussen überzogenen Bänke für die Gäste. Da trauten sich die Beiden was!
Und tatsächlich: Das Wetter hielt. Uff. Ich begrüßte die Gäste, die sehr sympathisch waren und mich gleich ausfragten, wie ich darauf gekommen sei, Trauzeremonien zu leiten. Wie immer antwortete ich, dass ich mich gefragt habe, was ich am Allerliebsten tun möchte. Da ich schon immer mit Begeisterung Reden hielt und Hochzeiten erlebte, auf denen diese echt mies waren, bot ich das einfach mal an und los ging der wilde Ritt.
Ein Trend, der mir mein fortgeschrittenes Alter aufzeigte, beherrschte den Style der männlichen Gäste. So gut wie jede Hose war hochgekrempelt, abgeschnitten oder gleich im Hochwasserstyle. Wie beim Bräutigam, dessen Hose bis knapp unter die Wade reichte und den Blick auf knallbunte Socken freigab. So muss das heute aussehen. Wäre aber vielleicht auch albern, wenn ich jetzt damit anfangen würde.
Ich unterhielt mich mit den Musikern, die Freunde des Paares waren und drei Songs während der Zeremonie singen wollten. Dies ist immer mein absoluter Favorit für die musikalische Untermalung: Livegesang. Es ist einfach die berührendste Art von Musik. Geeigneter als Harfe, Saxophon, Cello oder auch Klavier. Finde ich.
Als Jule kam, sang das Ehepaar mit Gitarrenbegleitung ein Stück einer Punkband in unplugged Form. Sehr berührend. Später noch einen Song von Tomte und noch ein weiteres mir unbekanntes Stück, das textlich hervorragend passte. So sollte es häufiger sein. Nicht die immer gleichen abgenudelten Stücke wie „Halleluja“, „The Rose“, „Ja“, „Das Beste“, „A thousand years“ oder „Footprints in the sand“. Schaut einfach, was Euch persönlich nahe geht, welche Songs Euch begleitet haben, das ist viel schöner und echter, als die immer gleichen Hochzeitsgassenhauer.
Mir gefällt ja auch dieser Vintage/Boho-style sehr, diese hippyeske Form zu heiraten. Mit Feldblumen statt Rosen, mit Blumen im Haar und lockeren Frisuren. Genauso kam Jule, mit ihrer wunderbar natürlichen Lockenpracht, Vintagekleid und Blumenkranz und Tobi und die gesamte Gästeschar strahlten. Das Publikum reagierte ganz hervorragend. Sie lachten an den richtigen Stellen, weinten, wenn sie berührt wurden und klatschten frenetisch. So soll es sein. Dass Jule und Tobi sich von mir überreden ließen, sich mit persönlichen Worten zu erfreuen, war ganz genau richtig so. Es ist jedes Mal der emotionalste und schönste Moment der Hochzeit. Wenn dann noch vorher die Trauzeugen etwas Schönes sagen, empfinde ich eine Zeremonie als ideal. Mit Ritualen, vom Ringwechsel und Kuss mal abgesehen, konnte ich mich noch nie so recht anfreunden. Sie belästigen nicht, aber sie bringen auch wenig Emotion.
Man spürte, dass dies die ganz eigene Hochzeit der Beiden war. Mit ganz viel Liebe und persönlichem Einsatz gemacht, die Candybar erkannte ich als das Regal, das in ihrer kleinen Küche stand, die Kuchen brachten die Gäste mit, jeder packte mit an. Es geht bei Hochzeiten nicht um Perfektion, sondern um Liebe. Der Mut, trotz der Regentröpfchen auf Draußen zu setzen, hat sich gelohnt. So soll es sein, so kann es bleiben. Danke Jule, danke Tobi!